Dienstag, Dezember 10, 2024
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Trendthema Factoring

Finanzexperte erklärt, wann es sich lohnt und ob es sogar gefährlich werden kann

Unternehmen, die auf schnelle Liquidität angewiesen sind, wenden sich zunehmend dem Factoring zu. Diese Methode verspricht zwar sofortigen Zugang zu Bargeld durch den Verkauf offener Forderungen, birgt aber auch Risiken und Kosten, die nicht jedes Unternehmen auf dem Schirm hat. Die Frage, ob Factoring die Rettung für Finanzengpässe oder ein verstecktes Risiko darstellt, spaltet die Gemüter.

„Manche Unternehmen interpretieren Factoring vollkommen falsch und rutschen so sogar in die Insolvenz – obwohl das Konto gut gefüllt ist“, warnt Robert Giebenrath, erfahrener externer CFO. Wann sich das Factoring lohnt und ob es sogar gefährlich werden kann, verrät er Ihnen hier.

Schnelles Geld gegen reduzierte Einnahmen – Factoring kurz erklärt

Traditionell stellt es für Unternehmen ein großes Problem dar, wenn der Kunde mit der Zahlung in Verzug gerät. Ist das Geld nicht auf dem Bankkonto, kann damit nicht gewirtschaftet werden – weder kann es investiert werden, noch können damit eigene Rechnungen beglichen werden. Insbesondere in Fällen, in denen ein Unternehmen ein Projekt selbst vorfinanzieren muss, kann dies für Schwierigkeiten sorgen.

Factoring ermöglicht es in solchen Fällen, sofort Liquidität zu schaffen. Der Käufer der Forderungen, der sogenannte Factor, übernimmt dabei je nach Modell sämtlichen Aufwand, der mit der Eintreibung verbunden ist. Im Gegenzug werden jedoch Gebühren und Zinsen fällig, die die Gewinnmarge merkbar schmälern.

Insolvenz trotz voller Bankkonten durch falsch realisiertes Factoring

Die reduzierte Gewinnmarge hat im Kontext der Unternehmensbilanz gravierende Folgen: Während einerseits mehr Geld auf dem Firmenkonto ist, reduzieren sich durch die ausbleibenden Einnahmen andererseits effektiver Gewinn und Eigenkapitalanteil des Unternehmens. Dies wirkt sich per se schon negativ auf die Bonität aus, was durch die Reinvestition der verfügbaren Mittel noch einmal verstärkt wird.

Wer also Factoring betreibt, um sofort Liquidität zu schaffen, hat es langfristig schwerer, Kredite aufzunehmen. Schlimmstenfalls führt Factoring zudem dazu, dass das Unternehmen rein rechnerisch Verluste einfährt. In solchen Fällen rutscht auch die Eigenkapitalquote schnell ins Negative – das Unternehmen hätte also früher oder später die Pflicht, entweder eine positive Fortführungsprognose einzureichen oder einen Insolvenzantrag zu stellen.

Factoring in der Praxis: Diese Anwendungsfälle sind wirklich sinnvoll

Dennoch gibt es einige Fälle, in denen sich das Factoring für Unternehmen lohnt. So haben Konzerne in der Regel eine extrem hohe Bonität, weshalb es ihren Zulieferern möglich ist, Factoring zu guten Konditionen zu betreiben. Dies ist insbesondere dann sinnvoll, wenn das Zahlungsziel noch in ferner Zukunft liegt, aber sofort eigene Ausgaben für Material und Arbeitskosten anstehen.

Ebenso kommt Factoring als Lösung infrage, wenn ein Unternehmen kurz vor der Übergabe steht und zuvor Gewinne ausgeschüttet werden sollen. In dieser Situation trägt die Liquidierung von Forderungen durch Factoring dazu bei, die nötigen finanziellen Mittel bereitzustellen, um beispielsweise Gesellschafter auszubezahlen und die Übergabe zu beschleunigen.

Eigenkapitalquote und Gewinnmarge entscheiden, ob Factoring Sinn ergibt

Bei exponentiellem Unternehmenswachstum, sogenanntem Hypergrowth, ist die Lage etwas komplizierter. Zwar macht die sofortige Liquidität schnelleres Wachstum möglich, aber sie tut nichts, um der Reduktion des Eigenkapitalanteils entgegenzuwirken. Es ist daher erforderlich, zusätzlich Eigenkapital-Investoren an Bord zu holen, die das Unternehmen finanzieren, indem sie Anteile erwerben.

Zuletzt ist die Entscheidung für oder gegen Factoring auch immer eine Frage der Gewinnmarge. Da ein Unternehmen, das Forderungen abtritt, seine eigene Gewinnmarge schmälert, ist es selbstredend wenig sinnvoll, bei einer Marge von nur 20 Prozent auf die Hälfte davon zu verzichten, um sofort den Cashflow zu verbessern. Bei einer Gewinnmarge von 70 Prozent hingegen tut eine 10 Prozent geringere Marge erheblich weniger weh – das Factoring kann also in einem der vorgenannten Fälle durchaus Sinn ergeben.

Kein Wundermittel, aber in manchen Fällen ein sinnvolles Instrument

Unternehmen, die Factoring als Lösung ihrer Liquiditätsprobleme erwägen, sollten daher genau prüfen, in welcher Situation sie sich aktuell befinden und wie sich ihre Entscheidung langfristig auswirken würde. Das Risiko, trotz voller Bankkonten insolvent zu werden, steigt durch falsch realisiertes Factoring immens an.

Es handelt sich beim Factoring also nicht um eine einfache Lösung, ungünstige Forderungen loszuwerden, sondern vielmehr um einen Schritt, der besondere Überlegungen erfordert. So sollte vorab geklärt werden, welches Modell für die eigenen Bedürfnisse am besten geeignet ist. In jedem Falle bleiben jedoch ein effektives Forderungsmanagement und eine gewissenhafte Kundenauswahl unverzichtbar, um erfolgreich zu wirtschaften.

Über Robert Giebenrath:

Robert Giebenrath ist Gründer der RG Finance GmbH, externer CFO und Unternehmensberater. Er unterstützt gemeinsam mit seinem Experten-Team deutsche Wachstumsbetriebe dabei, eine optimale finanzielle Planung inklusive Absicherung umzusetzen. Hierfür greifen die Finanzprofis der RG Finance GmbH auf ein ausgeklügeltes Controlling- und Risikomanagement-System für eine sichere Skalierung zurück. Mehr dazu erfahren unter: https://www.rg-finance.de/

Aussagen des Autors und des Interviewpartners geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion und des Verlags wieder.

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