Warum eine Online-Diagnose nicht nur Zeit spart, sondern auch für Reisende, schüchterne Menschen oder bei schubweise auftretenden Krankheiten besonders praktisch ist, erklären die Gründer im Interview
Zwischen Akne und AI
Wochenlang auf einen Termin warten, volle Wartezimmer, gestresste Ärzte – leider Alltag in deutschen Praxen. Deshalb wird Telemedizin immer beliebter. Warum ein medizinisches Anliegen nicht einfach online abklären lassen? Das dachten sich auch der Dermatologe Dr. Christian Drerup und Business Angel Marc Hoffmann und gründeten den Online-Hautarzt doctorderma. In unserem Interview verraten sie, wie die Idee entstand, was für Vorteile eine Online-Diagnose bringt und welche Rolle eine Künstliche Intelligenz in Zukunft spielen kann.
Die Telemedizin ist schon seit einigen Jahren auf dem Vormarsch. Wie sind Sie darauf gekommen, ein dermatologisches Online-Angebot ins Leben zu rufen?
Christian Drerup: Es hat damit angefangen, dass mir Freunde und Bekannte immer wieder Fotos ihrer Hautprobleme per WhatsApp schickten und mich um eine Diagnose baten. Irgendwann dachte ich mir: Wenn die schnelle Hilfe eines Dermatologen schon in meinem Umfeld so gefragt ist, werden sich auch andere Leute dafür interessieren. Im März 2022 habe ich Marc von der Idee erzählt, daraus ein Unternehmen zu machen. Wir kannten uns beide schon von der erfolgreichen Zusammenarbeit bei einem anderen Digitalisierungsprojekt
Marc Hoffmann: Ich fand die Idee dahinter von Anfang an spannend und sah ein großes Potential. Versuchen Sie mal, einen Termin beim Hautarzt zu bekommen. Wenn es mehrere Wochen dauert und nicht mehrere Monate, ist das schnell. Die Untersuchung ist dann meist zügig erledigt. Bei uns bekommen die Patienten nach durchschnittlich vier Stunden eine Diagnose, spätestens am nächsten Tag. Inklusive Rezept, wenn es nötig ist.
Der große Pluspunkt von doctorderma ist also die Zeitersparnis?
Marc Hoffmann: Das auf jeden Fall, aber nicht nur. Unser Angebot richtet sich auch an Reisende. Denn wo will man schnell einen Hautarzt finden, wenn man gerade unterwegs ist und zum Beispiel Kontakt mit einer Qualle hatte. Oder bei einer Verbrennung oder Hautinfektion auf der Trekkingtour oder einer Kreuzfahrt, wo ein Dermatologe nicht in Reichweite ist. Wir sehen auch, dass viele jüngere PatientInnen unseren Service nutzen, die sich aus Scham nicht zum Hautarzt trauen. Diagnose von uns kann aber auch für jüngere Leute interessant sein, die sich wegen einer Erkrankung womöglich schämen und deshalb einen Arztbesuch vermeiden.
Christian Drerup: Plus: wir bekommen einen aktuellen Eindruck von der Krankheit. Manche Ausschläge treten zum Beispiel nur schubweise auf. Dann kann es schon mal vorkommen, dass die Patienten wochenlang keine Symptome haben. Fällt der Termin in eine solche Ruhephase, kann der Arzt mitunter nichts feststellen. Das Problem können wir mit den Fotos, die uns die Patienten schicken, wunderbar lösen.
Vertrauen die Leute einer Website mit Fragebogen, ohne einen Arzt zu Gesicht zu bekommen?
Christian Drerup: Ich glaube, die Skepsis hält sich in Grenzen, aber wir wollten extra niedrige Hürden schaffen. Das sehen wir auch an den regelmäßigen Empfehlungen. Unsere Diagnosen sind leicht verständlich und wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass wir die Fragen der Patienten restlos und weitestgehend ohne Fachausdrücke beantworten, so dass unsere Patienten im Anschluss nicht erst noch googlen müssen. Und zwar persönlich durch einen echten Hautarzt, Bots kommen bei uns nicht zum Einsatz. Beim Verdacht auf eine ernste oder sehr akut behandlungsbedürftige Erkrankung rufen wir die Patienten natürlich auch an, um sie über die weiteren Schritte zu informieren.
Und wie ist das mit der Datensicherheit?
Marc Hoffmann: Alle Daten werden verschlüsselt an uns übertragen und auf deutschen Servern in Frankfurt am Main gespeichert. Nur unser Ärzteteam hat darauf Zugriff. Audits mit unserem Datenschutzbeauftragten finden regelmäßig statt. So können wir allen Patienten ein höchstmögliches Maß an Sicherheit garantieren und hoffentlich alle Bedenken aus dem Weg räumen.
Wie ist das Procedere, wenn ich mich entscheide, doctorderma zu nutzen?
Marc Hoffmann: Über doctorderma.de gelangen die Patienten zu unserer Web-App. Dort müssen sie nur drei Fotos von der betroffenen Körperstelle hochladen – eine Detailaufnahme, ein Foto aus mittlerer Entfernung und eins von der Seite. Im Anschluss gibt es einen angepassten Fragebogen – wie macht sich das Problem bemerkbar, wird der Bereich größer, gibt es Vorerkrankungen? Und dann landet die Anfrage auch schon bei unserem Ärzteteam. Für eine Diagnose berechnen wir 25 Euro, die sich Privatpatienten erstatten lassen können. Wir sprechen auch mit gesetzlichen Krankenkassen, um eine Kostenübernahme für gesetzliche Versicherten zu erreichen. Bis dahin müssen Sie die Kosten von 25 Euro selber zahlen.
Sind Sie zufrieden mit dem Start?
Christian Drerup: Ja, auf jeden Fall. Aber wir stehen eben erst am Anfang. Nach nicht einmal einem halben Jahr konnten wir schon mehreren Tausend Patienten weiterhelfen. Die meisten sind zwischen 20 und 50 Jahre alt. Viele haben Fragen zu ihren eigenen Krankheiten, einige schicken Fotos von Hautproblemen ihrer Kinder oder auch Großeltern, die in Pflegeheimen wohnen. Sehr erfreulich entwickelt sich auch die Zusammenarbeit mit Kliniken, die keinen eigenen Dermatologen vor Ort haben und unsere detaillierten Behandlungspläne und kurzen Antwortzeiten von wenigen Stunden sehr schätzen
Verraten Sie schon Ihre Zukunftspläne?
Marc Hoffmann: Klar, gerne. Wir arbeiten im Moment an einer KI, die wir mit den von uns gestellten Diagnosen füttern. Hier kommt unser Mitgründer und Entwickler Florian Beck-Klaus ins Spiel. Die KI soll in Zukunft nicht nur Parameter wie Alter oder Geschlecht einbeziehen, sondern die gesamte Anamnese eines Patienten. In Zukunft sollen diese Daten unsere Ärztinnen und Ärzte bei der Arbeit unterstützen. Aber auch wirklich nur unterstützen, mehr nicht, das ist uns wichtig. Die Diagnose wird immer von Hautärzten kommen. Wir haben noch viel vor, es wird nie langweilig.
Bild Marc Hoffmann (links) und Dr. Christian Drerup, die Gründer von doctorderma
Quelle TEAM CODE ZERO